In Norwegen ist, gerade was den Umgang mit und das Leben in der Natur angeht, vieles anders als wir es in Deutschland gewohnt sind. Hie in Tinn bin ich eigentlich zum ersten Mal wirklich mit der norwegischen Natur in Kontakt gekommen. Die älteren Damen des Dorfes nahmen mich mit zu ihren regelmäßigen "Nordic Walking Touren" in die Wälder rund um Austbygde. Ihre Touren erinnerten mich nicht gerade an was was ich von Deutschland mit Nordic Walking in Verbindung brachte. Wir gingen so gut wie keine "richtigen " Waldwege, sondern, nach meinem Empfinden mehr "quer Feld ein". Aber das war es natürlich nicht. Wir gingen auf ihren alten Pfaden durch die Wälder. Pfade, die noch nicht einmal gesehen hätte und die ich mich nicht getraut hätte auch nur alleine wieder zurück zu gehen. Dazu kam, dass ich zu Hause gelernt hatte, dass man die Wege nicht verlässt und darauf achtet keine Pflanzen zu zertreten. Ich glaube die Damen waren ebenso von mir verwundert wie ich umgekehrt von ihnen. Inzwischen habe ich mich daran gewöhnt, dass die Wege hier nicht immer mit Wegen in Deutschland vergleichbar sind. Aber diese Wege hier in Norwegen führen uns durch so gut wie unberührte Natur. Die Wälder sind sich selbst überlassen. Bäume die brechen bleiben einfach liegen und wenn wir die Wege und Pfade frei schneiden, bleibt auch das einfach am Wegrand liegen.
Ein weiterer großer Unterschied zu Deutschland ist das sogenannte "Allemansretten". Dieses Jedermannsrecht erlaubt uns die Früchte der Natur zu pflücken und zu genießen. Dies ist für euch Pilger und Wanderer besonders Ende August und September interessant, wenn es im Wald frische Preiselbeeren, Blaubeeren und jede Menge Pilze zu finden gibt. Wer sich also gut auskennt kann sich vielleicht sein Abendessen unterwegs pflücken.
Ein weiterer Unterschied zu Deutschland sind die Jahreszeiten. Sind wir in Deutschland eine ungefähre Vierteilung des Jahres in die vier Jahreszeiten gewöhnt, so teilt sich das Jahr hier im Süden Norwegens in 2 Teile. Die eine Jahreshälfte, von Ende Oktober bis Mitte April ist hier Winter und die anderen drei Jahreszeiten teilen sich das zweite halbe Jahr. Wenn also in Deutschland das Frühjahr bereits zu Ende geht, beginnt es hier in Norwegen gerade erst. Das bedeutet auch, dass zum Beispiel Birkenallergiker nicht gerade im April nach Norwegen kommen sollten. Auf den Bergen, die rund um den Tinnsjø ja bis zu 1000m hoch sein können liegt dann oft noch Schnee, während bei uns im Tal das Frühjahr langsam Einzug hält. Der Sommer ist meist nicht so warm wie in Deutschland. Wenn wir hier 30 Grad haben ist das schon sehr war, allerdings ist die Wärme durch die klare Luft und den meist leichten Wind sehr angenehm. Der Pilgerweg führt dazu oft durch den Wald und macht den Sommer sehr angenehm. Wer gerne baden geht sollte wissen, dass der Tinnsjø in der Regel von Mai bis September zwischen 15 und 18 Grad und nur sehr selten wärmer wird. Das ständig zuströmende kalte Wasser aus den Bergen verhindert das. Ein kühles Bad in Austbygde ist an warmen Sommertagen aber sehr angenehm. Eine wie ich finde auch sehr schöne Jahreszeit ist der August wenn auch hier in Norwegen die Heide blüht. Sie wächst auf dem sandigen Boden oft an den Wegrändern und mischt sich dort zwischen weißes Moos, Beeren und Felsen, was zu wunderschönen Farbkontrasten führt. Daran anschließend sind dann die Beeren und Pilze reif. Der Herbst beginnt in Tinn bereits im September mit bunt leuchtendem Laub und im Oktober sind die Bäume dann wieder kahl.
Den Winter habe ich hier in Tinn als sehr angenehm kennen gelernt. Es ist meist relativ kalt bei klarer, trockener Luft und meistens auch Schnee. Das es in Norwegen immer dunkel ist, stimmt hier im Süden auch nicht, es ist mindestens von 9 Uhr bis 16 Uhr hell und durch den Schnee und die tolle Aussicht über das Tal wirkt es auch danach nicht richtig dunkel. Wer also mal wieder einen richtigen Winter erleben möchte, kann das hier tun. Bei ausreichender Schneemenge ist dann auch die beleuchtete Dorfloipe gespurt.